68 Jahre und kein bißchen leise - Die Citroën DS

    6. Oktober 1955. Als sich an diesem Morgen die Türen des Grand Palais, Austragungsort des Pariser Automobilsalons, öffnen, strömen tausende Besucher zum Citroënstand. Wie aus einer anderen Welt steht dort der neue große Citroën, die DS 19, wie eine automobile Göttin.
     

     

    An diesem Tag können sich die Verkäufer vor Interessenten nicht retten, sage und schreibe 12000 Kaufverträge werden abgeschlossen. Am Ende des Automobilsalons sind es gar 80000 Bestellungen, die die Verwaltung am Quai Javel zu bearbeiten hat.

    Doch bis die erste DS19 bei den Käufern steht, vergeht noch einige Zeit. Kurz vor Beginn des Automobilsalons zeichnet Flamino Bertoni die letzten Feinheiten der Karosserie, die hydraulischen Bauteile verlangen nach einer noch nie dagewesenen Genauigkeit in der Serienfertigung und mit der Verarbeitung von Kunstoffen im Automobilbau müssen ebenfalls noch Erfahrungen gesammelt werden. Aber nach 5 Monaten harter Arbeit laufen die ersten Serienmodelle endlich vom Band.

    Auf Grund der kurzen Entwicklungszeit werden die ersten Käufer der DS19 zu Testfahrern. Das komplexe Hydrauliksystem wartet noch mit Kinderkrankheiten auf. Das synthetische Hydrauliköl - LHS - verträgt die hohe Wärme im Motorraum nicht und reagiert agressiv auf alle Gummidichtungen. Abhilfe schaffen Lüftungsöffnungen in den Kotflügeln, die die Motorwärme abführen. Aber auch die Werkstätten sind mit diesem hoch technisierten Automobil überfordert. Ein Grund hierfür ist die Geheimhaltungsmanie des Hauses Citroën.

    Um den Wechsel der eingefleischten Tractionfahrer auf das neue Modell nicht allzu schwierig zu machen, wird nach der Einstellung der Traction Avant Produktion eine abgespeckte Version der DS19 lanciert. Geleiche Karossrie, hydropneumatische Federung ohne Servolenkung, Schaltung und Hochdruckbremse und den Motor aus dem Traction reichen der ID19.

    In den nächsten Jahren werden die DS kaum verändert, technisch sind sie mittlerweile ausgereift, designmäßig kommt kein anderes Auto auch nur annähernd an sie heran.

    Charles de Gaulle schwört auf dieses Fahrzeug, hat es ihm doch bei einem Attentat das Leben gerettet. Trotz zerschossener Reifen konnte der Fahrer de Gaulles das Auto in der Spur halten und flüchten.

    Erst im Jahre 1965, 10 Jahre nach Produktionsbeginn, halten neue Motoren Einzug in die DS-Motorräume. Dem Kundenwunsch nach einer höheren Motorleistung wird nun endlich entsprochen, die DS21 sieht nicht nur schnell aus, sondern läßt sich auch zügig fahren.
    Der anspruchsvollen Kundschaft wird die Pallas-Version mit allem Komfort angeboten, den es im Automobilbau gibt.

    Durch den Wechsel auf die grüne Hydraulikflüssigkeit - LHM - gehören Hydraulikprobleme der Vergangenheit an. 1968 erst wird die Karosserieform grundlegend geändert. Als letzten Geniestreich zeichnet Flamino Bertoni kurz vor seinem Tod die genialen hinterglasten Doppelscheinwerfer. Genial deshalb, weil die innenliegenden Fernscheinwerfer dem Lenkeinschlag folgen. Über ein System von Hebeln und Seilzügen werden die Scheinwerfer mit der Lenkung gekoppelt und leuchten somit beim Lenken die Kurve aus.

    Um dem Ruf nach mehr Leistung gerecht zu werden, rüsten die Ingenieure den DS21-Motor mit einer elektronischen Einspritzanlage von Bosch aus. Diese DS mit 120PS kratzen an der 200km/h-Marke.

    Die einfachen ID-Modelle fimieren ab diesem Zeitraum je nach Motorisierung als D Special, D Super oder D Super 5. Werden sie doch immer mehr an die Ausstattungen der DS angeglichen.

    Die teure Produktion der D-Modelle treibt Citroën mit in die Hände von dem Erzrivalen Peugeot. Als letztes Aufbäumen wird die DS23 vorgestellt, als ultimative Göttin.

    Lange wird schon an dem Nachfoger der legendären DS gearbeitet, als 1973 ein Teil der Produktion in das neue Werk Aulnay-sur-Bois verlegt wird. 1975 ist Schluß. Knapp 1,5 Millionen DS und ID laufen in Paris während ihrer 20jährigen Bauzeit von Band.

    Auch heute noch, fast 50 Jahre nach Produktionseinstellung, hat die DS von ihrem Flair nichts verloren, drehen sich Passanten mit einem Lächeln im Gesicht nach ihr um.

    Tabellarischer Lebenslauf

    1955 Präsentation der DS 19 auf dem Pariser Salon. An einem Tag werden 12.000, bis zum Ende des Salons sage und schreibe 80.000 DS verkauft!
    1957 Die Produktion der ID-Modelle beginnt. Die ID ist eine abgespeckte Version einer DS, mit dem Motor aus der Traction und nur mit der hydropneumatischen Federung ausgestattet. 
    1958 Vorstellung der Break-Modelle, des Prestige und der Ambulance auf dem Pariser Salon.
    1960 Das DS Cabriolet wird vorgestellt.
    1961 Ein neues Armaturenbrett wird eingeführt. Charles de Gaulle überlebt das Attentat am 15. Oktober. Trotz zweier zerschossener Reifen gelingt es dem Fahrer mit der DS Limousine den Tätern zu entkommen.
    1962 Eine neue Frontgestalltung sorgt für eine bessere Aerodynamik. Eine neue Stoßstange mit Gummihörnern hält Einzug und die Kotflügel erhalten unter dem Scheinwerfer einen Lufteinlaß.
    1964 Da das rote Hydrauliköl (LHS) unter Wärme sehr aggressiv auf alle Dichtungen wirkt, wird die farblose Hydraulikflüssigkeit LHS 2 eingeführt. beide Öle sind untereinander mischbar. Außerdem können sich Frau und Mann von Welt die Luxusgöttin schlechthin kaufen: die DS Pallas hält Einzug in die Schauräume der Händler.

    1965

    Der alte Langhuber aus dem Traction weicht nun einer neuen Motorengeneration mit fünffach gelagerter Kurbelwelle. Zusätzlich zur DS 19 wird nun auch eine DS 21 mit 2175 ccm Hubraum angeboten.
    1966 Die Hydraulikflüssigkeit wird nochmals gewechselt. Jetzt wird das Hydrauliksystem nur noch mit dem grünen LHM-Öl befüllt. Anders als vorher, verträgt sich dieses Öl nicht mit dem roten LHS oder dem farblosen LHS 2! Aus diesem Grund werden alle Hydraulikkomponenten grün lackiert.
    1967 Ab September werden alle DS und ID einem Facelift unterzogen. Kotflügel mit Doppelscheinwerfern hinter Glas machen die Göttin bereit für die siebziger Jahre. Je nach Ausstattung folgen die inneren Fernscheinwerfer dem Lenkeinschlag und leuchten so die Kurven aus!
    1969 Alle D-Modelle, wie sie jetzt genannt werden, erhalten ein neues Armaturenbrett mit 3 großen Rundinstrumenten. Die ID 19 wird zur D Special, die ID 20 zur D Super. Außerdem bekommt man jetzt auch eine schnelle Göttin, die DS 21 ie (injection electronique) kratzt an der 200 km/h Marke. Am 14. Oktober läuft die 1 Millionste DS von Band.
    1971 Der Bau des DS Cabriolets wird eingestellt. Vereinzelt baut Henri Chapron noch einige Cabriolets nach Kundenwunsch.
    1972 Die D Super 5, eine D Super mit DS 21 Motor, steht bei den Händlern und wird auch gut verkauft. Die DS Modellreihe wird mit der DS 23 und der DS 23 ie aufgestockt.
    1975 Nach 1.455.746 gebauten D-Modellen läuft die Produktion nach 20 Jahren aus. Der Nachfolger CX steht schon bereit.
    1976 Die Produktion der Ambulance wird eingestellt. Ab jetzt läuft keine DS und keine ID mehr von Band.

     

    Die DS in den Medien

    In seinem Radioprogramm würdigte der WDR mit einem Stichtag am 6. Oktober 2010 die Vorstellung der DS. Hier der WDR-Podcast:

    Anläßlich der Vorstellung des Citroën DS vor 55 Jahren, am 6. Oktober 1955, sendete das WDR-Fernsehen am 2. Oktober 2010 einen kleinen Bericht in der Aktuellen Stunde (erstes Video). Das zweite Viedeo zeigt die bekannte Fernseh-Doku aus der "Auto Ikonen" Reihe der ARD Sender. Hier die Sendung im SWR vom 8. Januar 2017.